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Zum Werk von Cornelia Konrads | On Cornelia Konrads’ Work »

Heroische Auflehnung und poetischer Widerspruch

von Michael Stoeber

Buchobjekte

UndbuchIn den Jahren von 2002 bis 2004 tauchen im künstlerischen Werk von Cornelia Konrads „Buchobjekte“ auf. Ihr kleines Format und ihr intimer, auf die Präsentation im Innenraum zielender Charakter unterscheiden sie von den großen, als in situ Arbeiten den öffentlichen Raum besetzenden Werken der Künstlerin. Dennoch nehmen die „Buchobjekte“ im Schaffen von Cornelia Konrads einen zentralen Platz ein. Sie ebnen den Weg zum Verständnis ihrer künstlerischen Biographie.

Konrads hat Philosophie, Germanistik und Kulturwissenschaften studiert und erst relativ spät zur Existenz einer freischaffenden Künstlerin gefunden. Hinter der Ontologie der „Buchobjekte“ verbirgt sich – so scheint es – ein exorzistischer Akt. Mit seiner Hilfe hat Konrads sich selbst das akademische Denken ausgetrieben, um die schöpferischen Kräfte des Unbewussten, Träumerischen und Surrealen, die Fähigkeiten des Quer- und Andersdenkens in sich zu wecken.

Die Schaffensperiode zwischen 2004 und 2006

Wir konzentrieren uns bei unseren folgenden Ausführungen auf die aktuellen, das heißt im Jahr 2004 entstandenen Werke, ohne frühere Arbeiten gänzlich zu vernachlässigen, vor allem, wenn sich in neuen Werken Formprinzipien älterer Arbeiten wiederholen. Das ist ganz offensichtlich in den „Piles“ der Fall, in jenen Plastiken, in denen Konrads dem Formprinzip von Aufschüttung und Haufenbildung folgt. Zu den neuen „Piles“ gehören die in Korea entstandenen Plastiken,vor allem der „Pile of Wishes“, eine konische Anhäufung von Steinen, dessen Kegelende abhebt, als wolle er sich vom starren Steinhaufen lösen, um geradewegs in den Himmel zu fliegen. Wie die Bitten und Gebete der Menschen, die sich an die traditionelle koreanische Einrichtung der „Wunschkegel“ halten, an eine Sitte also, die älter ist als der Buddhismus und aus dem Schamanismus kommt.

pile of wishesKonrads verbindet in jenen Plastiken der „Piles“ auf reizvolle Weise unterschiedliche Formprinzipien: nicht nur Ruhe und Bewegung, sondern auch Auflösung und Verdichtung. Dazu kommt das kontrastive Spiel mit der Schwerkraft und ihrer Überwindung, mit Realität und Simulation, und die spannungsvolle Begegnung von Natur und Kultur: der Stein und seine Formung im Werk. Außerdem: Fliegen die Steine wirklich in den Himmel, oder kommen sie nicht vielleicht herab und lassen sich auf dem Haufen nieder? Steigen oder Fallen, das ist hier die Frage. Die Ambivalenz ist typisch für das Werk von Cornelia Konrads, nicht nur in dieser Arbeit. Sie ist seine Signatur. In anderen Werken lauten die Alternativen anders: Gehen oder Laufen, Fliegen oder Landen , Untergehen oder Siegen, aber stets irritieren und destabilisieren die Werke der Künstlerin eine monokausale Sicht der Welt und ziehen damit die Fundamente der aristotelischen Logik in Zweifel. Hier herrschen nicht die Gesetze von Identität (a = a) und Widerspruch (a = non a) und ausgeschlossenem Dritten (Tertium non datur), sondern was Konrads in ihren Werken thematisiert, sind Zwischenzustände, Momente einer irritierenden und faszinierenden Indezision. Jene Zustände, in denen die Paradoxa des Zenon Wirklichkeit werden: der Pfeil, der auf Ewigkeit sein Ziel nicht erreicht, die Schildkröte, die zu überholen dem schnellen Achilles nicht gelingen will.